IBN BUTLAN
SCHACHTAFELEN DER GESUNTHEYT, 1533
HEILEN IN TABELLENFORM
Die Schachtafeln der Gesundheit gehen auf eine arabische Handschrift aus dem Hochmittelalter zurück. Die erste deutsche Übersetzung erschien 1533 in Strasbourg. Dem Werk von Ibn Butlan wurde in dieser Ausgabe das Werk eines zweiten arabischen Mediziners Ibn Gazla hinzugefügt, das sich der Diagnostik, Behandlung und Heilung von Krankheiten, Unfällen und sonstigen Leiden widmet. Der dritte Teil stammt wieder von Ibn Butlan und fasst dessen Gesundheitsregeln zusammen.
Sowohl Ibn Butlan wie auch Ibn Gazla bedienen sich einer neuen Darstellungsweise, der Tabelle, die zuvor nur in astronomischen und juristischen, nicht aber in medizinischen Werken vorkam. Diese „Tafeln“ befinden sich jeweils auf der linken Buchseite, während die rechte dieselben Inhalte ausformuliert wiedergibt. Ibn Butlans diätetischer Teil enthält 40 Tafeln. Passende Holzschnitte sind in einer Bordüre am unteren Rand der rechten Seite sichtbar. Der zweite, medizinische Teil von Ibn Gazla handelt auf 44 Tafeln Krankheiten ab.
HOHES ANSEHEN DER ARABISCHEN MEDIZIN
Die ursprüngliche arabische Handschrift von Ibn Butlan wurde nie gedruckt. Sie bestand ausschliesslich aus Tabellen, weshalb sie den Namen Takwim, auf arabisch Tafel oder Tabelle, erhielt. Die ersten lateinischen Übersetzungen aus dem 13. Jahrhundert griffen den Titel auf und wandelten ihn in Tacuinum um. Damit wurde das Werk der lateinischsprachigen Gelehrtenwelt Europas zugänglich, bei der die arabische Medizin hohes Ansehen genoss.
Die Schrift stiess auf grosses Interesse, wovon zahlreiche überlieferte Abschriften zeugen: In Europa sind 25 Handschriften und mehrere reich verzierte Codices nachweisbar.
Das lateinische „Tacuinum Sanitatis“ wurde erstmals 1531 gedruckt. Die mit Holzschnitten von Hans Weiditz illustrierte, deutsche Übersetzung folgte nur zwei Jahre später. Der Übersetzer Michael Herr gab dem Werk den Namen „Schachtafelen der Gesuntheyt“, weil ihn die aussergewöhnliche Präsentation der Inhalte in Tabellenform an ein entsprechend unterteiltes Schachbrett erinnerte. Er spielte aber auch mit dem Wort „Tafel“, das einerseits die Form der ungewöhnlichen Präsentation meinte, anderseits als Bezeichnung für einen Esstisch geläufig war und damit auf die Ernährungsratschläge abhob.
CHRISTLICHE ÄRZTE AUS BAGDAD
Ibn Butlan (gest. 1066) war ein arabisch-christlicher Arzt und Philosoph, der mit vollem Namen Abu al-Hasan al-Mukhtar ibn al-Hasan ibn ‘Abdun Ibn Sa’dun ibn Butlan hiess und in Europa Elluchasem Elimithar genannt wurde. Ibn Butlan gehörte dem nestorianischen Christentum an, dessen Anhänger von der römischen Reichskirche während Jahrhunderten verfolgt wurden. Er war ein Gelehrter, der bereits zu Lebzeiten berühmt war und den damaligen Wissenskanon erweiterte. Als Grenzgänge zwischen der christlichen, jüdischen und muslimischen Welt strebte er nach Harmonie zwischen den Religionsgemeinschaften.
Ibn Butlan kam in der blühenden Kulturstadt Bagdad zur Welt, wo er Medizin studierte und praktizierte. Im Februar 1049 brach er nach Ägypten auf und blieb drei Jahre in Kairo. Bekannt wurde seine medizinische Auseinandersetzung mit dem Leibarzt des Kalifen von Kairo, die zu seiner Flucht aus Kairo führte. Er reiste weiter nach Konstantinopel, wo er seine Erlebnisse in der autobiografisch gefärbten Schrift „Das Ärztebankett“ verarbeitete. Dann zog er nach Aleppo und übernahm die Leitung einer christlichen Gemeinde. 1063 wirkte Ibn Butlan in Antiochien als Spitalarzt und starb 1066 in einem nahegelegenen Kloster.
Ibn Gazla (gest. 1100) war jünger als Ibn Butlan und ebenfalls arabisch-christlicher Arztphilosoph aus Bagdad. Im Gegensatz zu Ibn Butlan konvertierte er zum Islam.
ANTIKE DIÄTETIK IM GESUNDHEITSRATGEBER
Regimen sanitatis bedeutet soviel wie Leitfaden für die Gesundheit. Diese Gesundheitsratgeber, die als eigene Literaturgattung im 13. bis 15. Jahrhundert nach Europa gelangten, richteten sich an die alphabetisierte Oberschicht.
Die Diätetik umfasste ein viel breiteres Gebiet als der heutige Begriff Diät. Gemäss Galens Lehre der sechs „Res non naturales“ regelte das Regimen die sechs willentlich beeinflussbaren Lebensbereiche: Licht und Luft (aer), Essen und Trinken (cibus et potus), Bewegung und Ruhe (motus et quies), Schlafen und Wachen (somnus et vigilia), Ausscheidungen (secreta et excreta) und Affekte (affectus animi). Die Regulierung dieser Lebensbereiche musste dem Einfluss der Gestirne sowie dem Typus der jeweiligen Person entsprechen.
Das Regimen sanitatis von Ibn Butlan lehrt zwar Mässigung, nicht aber Sinnesfeindlichkeit. Lebensbereiche wie Körperreinigung, Schönheitspflege und Sexualität werden genauso ernsthaft behandelt wie die Bekämpfung von Krankheiten.