LEONHART FUCHS
NEW KREUTERBUCH, 1543
PRÄZISE HOLZSCHNITTE
Die erste deutsche Ausgabe des „Kreuterbuchs“ von Leonhart Fuchs enthält 512 Holzschnitte. Sie bilden bekannte Heilkräuter eng an der Natur orientiert ab. Über 400 Bilder zeigen einheimische Gewächse. Andere stammen aus dem „neuen“ Kontinent Amerika. Etwa hundert Pflanzen wurden zum ersten Mal in einem schriftlichen Dokument dargestellt.
Die Präzision der Abbildungen, die in dieser Qualität neu war, sollte Verwechslungen bei der medizinischen Anwendung ausschliessen. Neben zwei Verzeichnissen der Pflanzennamen in Deutsch und Lateinisch erleichtert ein Index bekannter Krankheiten das Auffinden des jeweils angesagten Heilmittels.
Das Buch ist in 346 Kapitel eingeteilt, die jeweils eine spezifische Pflanzengattung mit mehreren „Geschlechtern“ vorstellen. Die Beschreibungen folgen einem strikten Schema. Zuerst wird der Name in Deutsch mit seinen lateinischen und griechischen Entsprechungen aufgeführt. Unter dem Begriff „Geschlecht“ werden verschiedene Arten einer übergeordneten Pflanzenfamilie beschrieben. Es folgen die „Gstalt“, die Orte, wo die Pflanze üblicherweise wächst, die Zeit ihrer Blüte und ihre Eigenheiten und Verwendung in der damaligen Medizin.
VEREWIGT IN DER GATTUNG DER FUCHSIEN
Das deutsche „Kreuterbuch“ erzielte grosse Erfolge, was an zahlreichen Auflagen und Übersetzungen sichtbar wird. Die Holzschnitte wurden von anderen Autoren kopiert und übernommen. Die naturgetreue Darstellung der Pflanzen mit Blüten, Früchten, Blättern, Stamm bis hin zu den Wurzeln setzte sich in europäischen Kräuterbüchern durch.
Als Arzt und Kräutersammler räumte Fuchs der medizinischen Anwendung eine zentrale Stellung ein. Damals folgte die Arzneimittellehre mehrheitlich der antiken Humoralpathologie oder Viersäftelehre, die Krankheit als eine Störung des Gleichgewichts der vier Körpersäfte Blut, Gelbe Galle, Schwarze Galle und Schleim interpretierte. Einige Anwendungen entsprechen auch der Signaturenlehre. Um die passende Arznei zu finden, musste man nach äusserlichen Übereinstimmungen suchen. Die Form eines Blatts oder die Farbe eines Pflanzensafts sollten den Menschen Hinweise auf die zu einer bestimmten Krankheit passende Heilpflanze geben. So galt das Schöllkraut mit seinem gelben Saft als probates Mittel zur Vertreibung von Gelbsucht.
Zweihundert Jahre später ordnete Carl von Linné die Pflanzenwelt ebenfalls nach Verwandtschaften und Ähnlichkeiten. Auf Vorschlag eines Franziskanerpaters nannte Linné eine Pflanze nach Leonhart Fuchs „Fuchsia triphylla“, die mit anderen Blumengewächsen zusammen die Gattung der Fuchsien bildet.
EIN ANHÄNGER LUTHERS
Leonhart Fuchs kam 1501 im bayrischen Wemding zur Welt. Er studierte Medizin in Ingolstadt und praktizierte in München. Dort heiratete er 1525 die Patriziertochter Anna Friedberg, mit der er eine grosse Familie mit sechs Mädchen und vier Jungen gründete.
1526 wurde er als Medizinprofessor an die Universität Ingolstadt berufen. Fuchs war ein früher Anhänger des Reformators Martin Luther, der nur ein Jahr zuvor seine erste reformierte Messe gehalten hatte. Er fühlte sich daher an der katholischen Universität Ingolstadt in Feindesland und nahm zwei Jahre später eine Stelle als Leibarzt des Markgrafen von Brandenburg in Ansbach an. 1535 trat er eine Medizinprofessur in Tübingen an, wo er einen Heilkräutergarten anlegte. In Tübingen unterstand er dem Herzog Ulrich von Württemberg, der die Tübinger Universität als erste Institution nach Luthers Vorbild reformieren wollte. Dieser Erwartung kam Fuchs entgegen und wirkte als Dekan und Rektor.
Die Pflanzenbilder, die das Kräuterbuch so berühmt machten, zeichnete Albert Meyer unter der Aufsicht von Fuchs, Heinrich Füllmaurer übertrug die Zeichnungen auf den Holzblock, und der Strassburger Holzschneider Veyt Rudolf Speckle fertigte die Druckstöcke an.
DREI WEGWEISENDE WERKE IN EINEM JAHR
Im Jahr 1543 wurde das Werk „De revolutionibus orbium coelestium“ von Nikolaus Kopernikus gedruckt, das die Sonne in den Mittelpunkt der Planetenbahnen stellt. Im selben Jahr erschien das anatomische Bildwerk „De humani corporis fabrica“ von Andreas Vesalius, mit dem sich das Körperbild veränderte. Und auch das „Kreuterbuch“ von Leonhart Fuchs wurde 1543 gedruckt. Der „Fabrica“ und dem „Kreuterbuch“ ist gemeinsam, dass sie mit eigenen Beobachtungen zur Umgestaltung medizinischer Grundlagen beitrugen.
Das „Kreuterbuch“ wendet sich von der streng dogmatischen Scholastik und der arabischen Medizin des Mittelalters ab. Dennoch entspringen die Pflanzenbeschreibungen nicht reinem Erfahrungswissen. Fuchs wollte als Humanist die klassische griechische Medizin wieder aufblühen lassen. Dabei musste er sich auf Abschriften antiker Arzneibücher abstützen, die jedoch kaum Abbildungen aufwiesen. So war es mit besonderen Schwierigkeiten verbunden, die Heilkräuter aus der Antike der heimischen Pflanzenwelt zuzuordnen.
Die naturnahe Pflanzendarstellung findet sich nicht allein bei Leonhart Fuchs. Auch Hieronymus Bock und Otto Brunfels, zwei Zeitgenossen von Fuchs, strebten möglichst detailgetreue Abbildungen von Heilkräutern an. In den Texten finden sich ebenfalls Parallelen. Es wird daher heute von den „drei Vätern der Botanik“ gesprochen.